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InDialog 3: Wenn der Kontext Antwerpen erobert

InDialog3: Wenn der Kontext Antwerpen erobert

(Bericht von Sarah Wendt)

Am 21. und 22. November 2019 fand zum dritten Mal die InDialog-Konferenz des European Network for Public Service Interpreting and Translation (ENPSIT) statt. Es wurde im belgischen Antwerpen auf dem Gelände der Universität Antwerpen und dem Campus der KU Löwen zum Thema Interpreter Practice, Research and Training: the Impact of Context getagt. Obwohl sich eine terminliche Überschneidung mit der diesjährigen BDÜ-Konferenz in Bonn nicht vermeiden ließ, war der BDÜ als ENPSIT-Mitglied nicht nur mit zwei Vertreterinnen (eine davon das zuständige Vorstandsmitglied aus dem BDÜ Nord) vor Ort, sondern auch Teil der Posterausstellung am ersten Konferenztag.

Im Kontext des Kontexts

Im Fokus der InDialog 3 standen die Auswirkungen verschiedener Kontexte auf das Dolmetschen im Gemeinwesen (Community Interpreting), wie diese in der Praxis aussehen und in der (Hochschul-)Bildung erforscht werden. Kontext ist hier im weitesten Sinne zu verstehen. Er bezieht sich nicht nur auf die jeweiligen Gesprächskontexte beim Dolmetschen, sondern auch auf besondere Konfliktsituationen, Einsätze in Flüchtlingslagern, Kriegsgebieten und anderen Ad-hoc-Settings. Es entstehen ständig neue Herausforderungen für Dolmetscher in der Praxis, aber auch für Forschung und Lehre.

Reibungslose Kommunikation

Eine Gruppe von acht Gebärdensprachendolmetscherinnen trug zur Verständigung in den parallel stattfindenden Sessions bei und verdolmetschte die Beiträge in flämische, norwegische, amerikanische und internationale Gebärdensprache. Zwei Schriftdolmetscher waren zudem bei den Keynote-Vorträgen im Einsatz.

Remote Interpreting: natürlicher Feind oder Freund des Dolmetschers?

Auch bei dieser Konferenz gehörte Remote Interpreting (Ferndolmetschen) und die daraus resultierenden Heraus- und Anforderungen an Dolmetscher zu den heiß diskutierten Themen. Sabine Braun von der University of Surrey (UK) fasste in ihrer Keynote den aktuellen Stand ihrer Forschung zusammen und erläuterte die Chancen und Hürden des Video- und Telefondolmetschens in verschiedenen Settings sowie die genutzten Technologien, die sowohl technisch als auch im Hinblick auf den Datenschutz nicht immer unproblematisch sind, aber teilweise dennoch von Dolmetschern aufgrund des steigenden Marktdrucks zähneknirschend hingenommen werden. Als kritisch wurden wegen der erhöhten Anforderungen unter anderem schnellere Erschöpfung und Müdigkeit, eine sinkende Qualität der Verdolmetschung sowie eine Verschlechterung der Gesprächsdynamik angeführt. Dennoch ist es offensichtlich, dass sich die Arbeitsbedingungen verändern und Dolmetscher sich darauf einstellen und ihre Rechte einfordern müssen. Verlässliche Strategien zur Bewältigung dieser Herausforderungen konnte die Forschung jedoch noch nicht ausmachen. Lehrende müssen sich zudem mit der Frage beschäftigen, ob sie Remote Interpreting als separates Thema behandeln oder als Dolmetschart mit wachsender Bedeutung in den Unterricht integrieren sollen.

Wo stehen wir, wo wollen wir hin?

Der Keynote folgten die Sessions, welche aus vier Themenblöcken mit je drei Vorträgen bestanden. Neue Technologien, die Schulung und das Rollenverständnis von (Laien-)Dolmetschern, das Schaffen von besseren Arbeitsbedingungen und angemessener Bezahlung sowie die persönliche Abgrenzung in belastenden Dolmetschsituationen (z. B. in der Psychotherapie und in Kriegsgebieten, beim Thema Menschenhandel oder Sterbebegleitung) waren als Hauptdiskussionsthemen deutlich auszumachen. Unzureichende  Ausbildungsmöglichkeiten, geringe Wertschätzung und schlechte Bezahlung gehören beim Community Interpreting nach wie vor zu den größten Hürden.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen … Dolmetschers

Ein Fachgebiet, das kaum jemand auf dem Schirm hatte, wurde unterhaltsam von Olgierda Furmanek, Hayne Shin und dem Franziskaner Sergiusz Baldiga präsentiert: Dolmetschen in speziellen und ungewöhnlichen Kontexten; in diesem Fall in religiösen Settings. Mit einem Team aus professionellen und Laiendolmetschern sorgten sie bei den Weltjugendtagen in Polen (2016) und Panama (2019) für die Verdolmetschung der Veranstaltungen in und aus zehn Sprachen. Nicht nur bei der klassischen Sonntagsmesse werden Dolmetscher benötigt, sondern auch bei anderen religiösen Zusammenkünften. Man müsse dazu nicht zwingend religiös sein, es sei aber von Vorteil, so der Geistliche.

Kooperation und Netzwerkarbeit

Bei der Abschlussdiskussion waren sich alle einig, dass Forschung und Lehre immer eng mit der Praxis verknüpft sein müssen, um neue Erkenntnisse und Verbesserungen umsetzen zu können. Des Weiteren sollten alle Beteiligten mithelfen, gewisse Standards zu etablieren und bei ihrer Umsetzung unterstützend und begleitend tätig zu sein. Nicht zuletzt ist das Analysieren und Bewerten der eigenen Dolmetschleistung (und die der Kollegen) ein wichtiger Faktor, um Forschung und Lehre die Richtung zu weisen. Die Zusammenarbeit des ENPSIT-Netzwerks mit der Europäischen Kommission soll dem Community Interpreting eine größere Sichtbarkeit verschaffen. Wer beim Knowledge Centre Interpretation aktiv mitwirken oder sich einfach informieren möchte, kann dies hier tun: https://ec.europa.eu/education/knowledge-centre-interpretation/

 

 


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